Dienstagabend, in irgendeiner Facebook-Gruppe für Gründer und Unternehmer: Fabian, der gerade ein Startup aufbaut und auf der Suche nach einem Grafikdesigner für seine Webseite ist, verfasst ein entsprechendes „Kennt jemand, der jemanden kennt?“-Posting und schließt dieses mit den Worten „Natürlich ist unser Budget begrenzt, daher gern so billig wie möglich :-)“ ab. Erste Reaktionen in Form von Empfehlungen und Tipps lassen nicht lang auf sich warten – schließlich waren fast alle schon mal in einer ähnlichen Lage wie Fabian und kennen die einschlägigen Plattformen, auf denen man sich (kreative) Dienstleistungen für kleines Geld einkaufen kann. Dass die Qualität dieser Arbeiten in der Regel zu wünschen übrig lässt oder zumindest „ausbaufähig“ ist, verschweigen die meisten pflichtbewusst – immerhin hat Fabian nach „billig“ und nicht nach „gut“ gefragt.

Hand aufs Herz: Kommt Ihnen diese Situation bekannt vor?

 

Das Problem mit dem Budget…

So wie Fabian geht es vielen Gründern, die am Anfang ihrer Existenzgründung unzählige Baustellen haben und gar nicht wissen, mit welcher sie sich zuerst befassen müssen und den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Hinzu kommt ein noch viel größeres Problem: das des begrenzten Budgets.

Es ist kein Geheimnis, dass die Gründung von einem Unternehmen Geld kostet – viel Geld in der Regel sogar. Dass frischgebackene Entrepreneure daher regelrecht dazu gezwungen werden, jeden Euro dreimal umzudrehen, liegt auf der Hand und soll an dieser Stelle auch gar nicht in Frage gestellt werden.

Fakt ist nur leider: Sehr häufig wir an den falschen Stellen gespart – nämlich dort, wo es um die wertvollen Effekte nach außen geht, also beispielsweise beim Layout und den Texten der Webseite, der Corporate Identity und dem Marketing.

Werden diese Bereiche mit Laien besetzt beziehungsweise von unerfahrenen Freelancern betreut, nützt es Fabian und anderen Gründern reichlich wenig, dass sie sich ein Büro in bester Lage gemietet haben – die Kunden, die sie dort empfangen wollen, bleiben nämlich im schlimmsten Fall einfach aus. Auch der teure Mac, der Kaffeevollautomat und das super-bequeme Sofa sind vielleicht angesagte Statussymbole in der Startup-Welt, aber gerade in der Anfangsphase schlichtweg Geldverschwendung.

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Der Grund für diese Fehlentscheidungen: Viele Gründer haben zwei ganz entscheidende Mindset-Fehler, die fatale Folgen nach sich ziehen können. Es geht um die (mangelnde) Bereitschaft, andere Menschen fair für ihre Leistungen zu bezahlen und die Abwertung kreativer (nicht greifbarer) Arbeit.

 

Mindset-Fehler Nr. 1: „Mein Angebot darf gern viel Geld kosten, deines aber nicht!“

„Mein Produkt ist viel besser als alle andere, die bisher am Markt sind.“

„Wenn Sie meine Dienstleistung buchen, werden Sie nie wieder etwas anderes haben wollen.“

„Ich überzeuge durch maximale Qualität und 100-prozentige Expertise. Bitte sein Sie bereit, das auch entsprechend zu bezahlen.“

Es liegt in der Natur der Dinge, dass Existenzgründer und -gründerinnen absolut von ihrem Business überzeugt sind und dies auch mit Freuden nach außen kommunizieren. Das ist selbstverständlich auch gut so, denn würde es an diesem Selbstbewusstsein mangeln, wäre das Projekt Unternehmensgründung quasi von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Wer kann schon andere begeistern, wenn er selbst nicht begeistert ist?

Problematisch wird es erst, wenn Gründer dieses „Besten-Denken“ für sich allein beanspruchen und allen anderen dieses Attribut absprechen. Leider kann das in der Praxis nur allzu oft beobachtet werden – beispielsweise dann, wenn besagter Fabian (hierbei handelt es sich im Übrigen um eine fiktive Person!) im einen Facebook-Posting sein super-tolles (und offenkundig sehr teures) Produkt anpreist und im nächsten einen Grafiker sucht, der bestenfalls kostenlos für ihn arbeitet.

Die Bereitschaft, andere adäquat für ihre Arbeit zu entlohnen; so, wie man es sich auch für sich selbst wünscht? Fehlanzeige!

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Mindset-Fehler Nr. 2: „Eigentlich ist das ja so einfach, dass ich es auch selbst machen könnte!“

Noch bedenklicher ist es, wenn Fabian beziehungsweise seine Gründer-Kollegen zusätzlich zu Denkfehler Nr. 1 der Meinung sind, das „bissen Pixel-Schubsen“ (oder „die paar Texte“ oder „die drei Instagram-Posts“) auch eigentlich selbst erledigen zu können – wenn sie denn die Zeit dafür hätten.

Nun, sicherlich ist da ein Fünkchen Wahres dran, doch… Sind Sie sich sicher, dass Ihre Arbeit die gleiche Qualität hätte wie die eines Experten oder einer Expertin auf dem jeweiligen Gebiet?

Das schwere Los der Selbstständigen, die ihr Geld mit Grafiken, Layouts, Illustrationen, Texten, Fotos und kreativen (oft gar nicht greifbaren) Ideen verdienen, ist, dass sie sich Tag für Tag für die Summen auf ihren Rechnungen rechtfertigen müssen – immerhin sind sie ja keine Raketenwissenschaftler bei der NASA.

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Wichtig: Bereitschaft, auch andere fair zu bezahlen

Die Denkweise, kreative Arbeiten, die in der Regel nur „Mittel zum Zweck“ sind, seien weniger (Geld) wert und können grundsätzlich von jedem ausgeführt werden, ist weit verbreitet – und das ist ein Problem. Denn sie sorgt dafür, dass Freelancer und Freelancerinnen permanent um ihre Existenz kämpfen müssen und nicht nur bei Privatkunden, sondern auch im B2B-Bereich immer wieder auf Unverständnis, Ignoranz und Degradierung stoßen. Das ist sowohl wirtschaftlich als auch emotional betrachtet eine große Belastung.

Was Sie dagegen tun können? Sein Sie bereit, den Preis zu zahlen, den Sie selbst auch verlangen würden. Respektieren Sie die Arbeit kreativer Selbstständiger und gestehen Sie sich ein, dass Sie es bei weitem nicht so gut wie die Profis machen könnten.


Es versteht sich von selbst, dass jeder Gründer das Thema Finanzen stets im Blick haben muss und Geld nicht leichtfertig ausgeben darf. Dennoch sollte sich jeder, der angemessen und fair für sein Produkt oder seine Dienstleistung bezahlt werden möchte, fragen, ob er bereit ist, das gleiche für andere zu tun. Erst, wenn Sie aus Überzeugung mit „Ja“ antworten können, haben Sie das richtige Gründer-Mindset.

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