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Mythos Nische: Von Innovation und Intuition

Mythos Nische: Von Innovation und Intuition

Junge Unternehmer in Spe lesen und hören diesen Begriff überall, wo sie nach Ratschlägen für ihre Karriere als Gründer und Geschäftsführer suchen: Die Nische. Eine besondere Marktlücke oder ein spezialisiertes Nischenprodukt wird häufig als wichtigste Grundlage angeführt, wenn es darum geht, eine gute Marktposition mit einem Startup zu erobern.

 

Grundsätzlich ist das auch nicht falsch – doch dabei kommt es häufig zu Missverständnissen und Fehlrepräsentationen, die mit der Marktrealität nichts zu tun haben und Überbewertungen einzelner Aspekte, die wieder und wieder betont werden.

 

Die Nische und ihre Bedeutung

Soll dieser Text aussagen, dass es nicht wirklich wichtig ist, eine noch nicht bediente Nische zu besetzen? Nein, natürlich nicht. Es geht vielmehr darum, den Fehlinterpretationen dieses Begriffs auf die Spur zu kommen.

Von TV-Formaten wie „Die Höhle der Löwen“ oder dem US-Amerikanischen Vorbild „Shark Tank“ regelmäßig propagiert ist eine interessante Geschäftsidee immer genau eines: Ein auf den ersten Blick völlig neues, revolutionäres Produkt, das sofort begeistert. In der Realität sieht es selbst mit den Gewinnern der Staffeln häufig anders aus.

 

Das hängt mit zweierlei Dingen zusammen:

 

  • Ein gutes Produkt allein reicht nicht aus – Nischenpositionierung ist nicht nur die Frage nach dem Produkt selbst, sondern eine insgesamt unternehmerische Überlegung

  • Eine Nischenpositionierung allein bedeutet nicht direkt Erfolg. Umgekehrt kann sich auch ohne direkt eine Marktlücke zu belegen großer Erfolg einstellen.

 

Die darin steckenden Missverständnisse klären wir nun einmal auf.

 

1. „Die Nische wird allein durch das Produkt bestimmt“

Die Marktpositionierung ist nicht nur davon abhängig, was angeboten wird. Viele weitere Faktoren können dazu führen, einen Nischenmarkt zu bedienen oder ein innovatives Modell zu schaffen – auch mit alten, längst bekannten und etablierten Waren oder Dienstleistungen.

 

So kann ein Umdenken bezüglich der Vermarktung oder des Bezahlmodells der richtige Schritt sein, um eine einzigartige Marktposition zu erhalten. Klassische Einzelhandelsprodukte wie Socken oder Rasierklingen als Abonnement sind gute Beispiele für eine Anpassung an besondere Anforderung eines kleinen, aber treuen Kundenstamms. Auch eine leichte Umpositionierung durch einen größeren Fokus auf für eine bestimmte Zielgruppe relevantes Marketing durch Mehrwert bringende Inhalte kann dazu dienen, eine andere Nische zu bedienen, während das Produkt identisch bleibt.

 

Nehmen wir als Beispiel den Video-on-Demand Markt. Dort haben sich die großen Abo-Plattformen durchgesetzt, bei denen sämtliche Inhalte im Umfang des gebuchten Pakets enthalten sind. Doch trotz dieser Dominanz besteht weiterhin auch der Bedarf an einzelnen Filmen, die sich digital für eine kleine Gebühr Ausleihen lassen. Zwar wird dieser auch zum Großteil von Amazon abgedeckt, doch dieses Beispiel verdeutlicht, dass trotz desselben grundlegenden Produkts (Film-Streaming) ein alternatives Marktmodell durchaus denkbar ist und Abnehmer findet.

 

2. „Ein neuartiges Produkt schafft eine dienliche Nische“

Eine fälschliche Annahme lautet: „Neu ist immer besser.“ Häufig ist es trotz Anstrengungen kaum möglich, den Grundstein für etwas Neues zu legen. In einer Welt, in der es für alles und jeden bereits jedes erdenkliche Produkt zu geben scheint, ist es schon eine Meisterleistung, überhaupt die Idee für ein neues Produkt zu finden und dieses zur Zweckmäßigkeit zu verfeinern. Daher entsteht möglicherweise das Gefühl, es alleine dadurch schon zu Erfolg schaffen zu können.

 

Doch es ist viel eher wahrscheinlich, dass ein derartiges Produkt nicht wirklich von genügend Personen gesucht oder benötigt wird, um eine Marktposition zu rechtfertigen. Das bedeutet natürlich nicht, dass es unmöglich ist, mit einer vollständig neuartigen Ware erfolgreich zu sein – doch dieses überhaupt zu schaffen und dabei ein praktikables Marktmodell aufbauen zu können ist sehr unwahrscheinlich.

 

Dieser Mythos entsteht natürlich dadurch, dass gerade die Erfolgsstorys, die aus einem neuen, revolutionären und noch nie angedachten Produkt oder Modell basieren, besonders spektakulär und dadurch medienwirksam sind.

 

3. „Was die Kunden wollen ist die größte Maxime“

Das Stichwort Visionär wird häufig erwähnt, wenn Unternehmer besonderen Wert auf Innovation legen. Dennoch wird mindestens ebenso oft in Startup-Ratgebern empfohlen, sich an tatsächlichen Verbraucher- oder Kundenwünschen zu orientieren.

 

Der Grundgedanke dabei hat natürlich eine Existenzberechtigung – etwas, was den Wünschen, Bedürfnissen oder Vorstellungen von Kunden nicht entspricht, werden sie natürlich auch nicht mit Begeisterung annehmen.

 

Doch das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass neue Marktmodelle sich ausschließlich nach ausdrücklichen Kundenwünschen richten sollten. Daher lautet ein Motto von Unternehmern, die tatsächlich dynamisches und innovatives Denken pflegen, dass es Produkte braucht, von denen die meisten noch nicht einmal wissen, dass sie sie brauchen.

 

Anstatt im Voraus mit Marktforschung und Kundenumfragen herauszufinden, woran es Verbrauchern fehlt, muss dabei jedoch ein anderer Ansatz verfolgt werden. Mit Feldstudien, Fokusgruppen und Produktpräsentationen ist dann abzuwägen, wie potentielle Zielgruppen auf das neue Produkt reagieren und welche Anpassungen möglicherweise noch nötig sind. Hier können bei der Präsentation positive Reaktionen entstehen, während eine sondierende Marktuntersuchung nur wenig oder keinen Bedarf ergeben hätte.

 

Unter Umständen ist möglicherweise sogar gegensätzliches Denken, das die lauten Stimmen des Mainstreams bewusst ignoriert, der Weg zum Erfolg. Als Beispiel kann hier der große Erfolg veganer Sportlernahrung angeführt werden.

 

Gerade im Bodybuilding oder Kraft- und Leistungssportbereich war vegane Ernährung vor einigen Jahren noch undenkbar und wurde höchstens belächelt. Da bei der Ernährung ganz ohne tierische Proteinquellen viele spezifische Besonderheiten beachtet werden müssen, um keine Defizite in bestimmten Bereichen zu haben, galt es als zu schwierig, potentiell ungesund und risikobehaftet.

 

Dem entsprechend schien es für Hersteller von Sportlernahrung kaum sinnvoll, sich mit dem Vertrieb veganer Produkte zu befassen. Doch mit der Zeit hat sich genau in dieser Schnittmenge entgegen aller Erwartungen ein Markt etabliert. Eine kleine, aber sehr treue Kundenbasis ist aufgrund der persönlichen Überzeugung, die zur alternativen Ernährung geführt hat, eine optimale Grundlage.

 

4. „Nische geht nur, wenn man der Erste ist“

Nur, weil es schon ein anderer Anbieter so oder so ähnlich macht, bedeutet das nicht, dass die Nische absolut nicht mehr zugänglich ist. Oder aber, die Marktbegleiter weisen einige grundlegende Unterschiede in ihrem Ansatz auf, die es erlauben, eine leicht andere Klientel anzusprechen.

 

Sofort zurückzuscheuen, sobald man bei Nachforschungen auf ähnliche Modelle trifft, ist daher möglicherweise eine Überreaktion, die dazu führen kann, dass mögliche Potentiale übersehen werden. Dieser Erstbesteigermythos wird jedoch durch viele Beispiele aus allen erdenklichen Sektoren widerlegt.

 

„Besser gut kopiert als schlecht selbstgemacht“ mag hier der Zyniker sagen, doch dieser Ausspruch trifft es an dieser Stelle nicht genau. Es geht nicht darum, sich mehr oder minder erfolgreiche Modelle anzusehen und sie auf Potential für Optimierungen oder kleine Anpassungen zu untersuchen, sondern eigene Ideen nicht gleich zu verwerfen, wenn im Ansatz ähnliche Produkte gefunden werden.

 

Intuition und Menschenkenntnis als wichtige Softskills

 

Wenn es darum geht, ein innovatives Produkt oder ein Marktmodell zu entwerfen, das einen lukrativen Nischenmarkt bedient, gibt es also mehr zu bedenken, als häufig angesprochen wird. Wer sich gerne an Vorbildern orientiert, darf dabei nicht vergessen, dass die viele der bekannten Erfolgsgeschichten gute Beispiele für Survivorship-Bias sind und nicht unbedingt als Vorbilder für die Nachahmung dienen sollten.

 

Viel mehr entstehen dadurch scheinbare Anleitungen für Erfolg, die zu oberflächlich sind und den Begriff der Nische oder der Innovation missverstehen. Die Gesamtpositionierung ist letztlich entscheidend, ob ein schmal aufgestelltes Angebot erfolgreich sein kann. Sich nicht an kleinen Eckpunkten aufzuhalten, sondern den Blick für das Große und Ganze zu öffnen ist natürlich nicht einfach.

 

Dafür ist eine gewisse Intuition notwendig. Wenn man einen Schritt zurücktritt und versucht, sämtliche Aspekte zu sehen, die die Vermarktung eines neuen Angebotes betreffen, ein gutes Gespür für die Kunden, die man damit ansprechen möchte, sehr wichtig. Grade durch die stark häufig vereinfachten Darstellungen des Nischendenkens kann es passieren, dass man diese Fähigkeit gar nicht erst anwendet, da man mit Scheuklappen an den Aufbau der eigenen Existenz herangeht.

 

Gerade bei den Überlegungen, die eine potentielle Klientel für ein Angebot betreffen, ist die größte Schwierigkeit, holistisch zu denken anstatt sich auf das Produkt oder einen anderen, einzelnen Punkt zu fokussieren. Doch das gesamte Geschäftsmodell mit allen Aspekten der Positionierung ist letztlich das, was Kunden erfahren.

 

Bildquellen:

Bild 1: Ngampol © Adobe Stock

Bild 2: Matthias Enter © Adobe Stock

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