Lange Zeit galt Perfektionismus als gute, regelrecht erstrebenswerte Charaktereigenschaft in der Businesswelt. Die allgemeine Annahme: Wer perfektionistisch ist, macht keine Fehler. Und wer keine Fehler macht, der ist insgesamt ein ziemlich toller Hecht. Doch ist es wirklich so einfach? Oder sollte Perfektionismus nicht lieber etwas kritischer beäugt werden?

Genau das hat in den letzten Jahren vermehrt stattgefunden und so ist es inzwischen nicht verwunderlich, dass immer mehr Menschen verstanden haben: Perfektionismus ist kein Erfolgsgarant, sondern kann die Karriere unter Umständen sogar ziemlich hart ausbremsen. Wir erklären Ihnen in diesem Beitrag, warum das so ist und was Sie gegen Ihren eigenen Perfektionismus tun können.

 

Bin ich perfektionistisch?

Wer seinen Perfektionismus ablegen möchte, muss getreu dem Motto „Einsicht ist der erste Weg zur Besserung.“ zunächst einmal zugeben, ein Perfektionist zu sein. Wenn die meisten der folgenden Aussagen auf Sie zutreffen, dann sind Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit perfektionistisch veranlagt.

 

7 Gründe, die gegen Perfektionismus sprechen

Wenn Sie nun wissen, dass Sie zur Spezies der Perfektionisten gehören, können Sie erst einmal beruhigt sein – Sie befinden sich nämlich in bester Gesellschaft. Obwohl Perfektionismus längst als Mogelpackung enttarnt wurde, verfallen ihm nach wie vor viele Menschen – teilweise, ohne es zu bemerken. Warum das so problematisch ist, möchten wir Ihnen anhand von sieben Gründen erklären, die gegen den Perfektionismus sprechen.

 

#1 Perfektionismus bremst aus

Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten an einem neuen, ganz besonders tollen Projekt. Sie sind absolut im Fluss, die Ideen sprudeln nur so aus Ihnen heraus, Sie machen sich an die konkrete Umsetzung, kommen gut voran und – legen schließlich eine Vollbremsung hin.

Genau so wirkt Perfektionismus in seiner Reinform. Denn anstatt Ihnen in die Karten zu spielen und dabei zu helfen, Ihr Projekt erfolgreich abzuschließen, bewirkt er das genaue Gegenteil. Perfektionistisch veranlagte Menschen haben ein großes Problem damit, eine Sache als abgeschlossen zu betrachten und sich der nächsten zu widmen. Stattdessen klammern Sie sich an Ihrer aktuellen Aufgabe fest und behindern sich damit selbst.

Oder anders formuliert: Vorankommen ist für perfektionistische Menschen ein riesengroßer Kraftakt.

 

#2 Perfektionismus behindert Weiterentwicklung

Damit kommen wir gleich zum nächsten Aspekt, der eindeutig gegen Perfektionismus spricht: Wer sich vehement an ein Projekt klammert und sich weigert, dieses zu beenden, der tritt zwangsläufig auf der Stelle und hat keine Chance, sich langfristig weiterzuentwickeln.

Auch wenn Perfektionismus nach wie vor gern mit besseren Karrierechancen und und einer überragenden Qualität in Verbindung gebracht wird, bedeutet er letztlich doch etwas ganz anderes: Stagnation.

 

#3 Perfektionismus kennt kein Ende

Nahezu jeder von uns hat es: Dieses eine Projekt, das gut und gern als „never ending story“ bezeichnet werden kann, weil wir es einfach nicht schaffen, einen Schlussstrich zu ziehen. Was in 99,9 Prozent der Fälle Schuld daran ist? Unser eigener Perfektionismus!

Wer nie voll und ganz zufrieden mit sich und seiner Arbeit ist, der wird immer große Probleme haben, etwas als beendet oder vollbracht zu bezeichnen. Das Resultat: Wir klammern uns ewig an eine Aufgabe, obwohl es schon längst an der Zeit für die nächste wäre.

 

#4 Perfektionismus frisst Zeit

Keine Frage: Perfektionistische Menschen opfern jede Menge Zeit für Ihren Optimierungswahn, die anderswo viel klüger investiert wäre. Die Folge, das leider allzu oft eintritt: Sie verzetteln sich mit ihren Aufgaben, priorisieren falsch und müssen letztlich mit einem (zeitlichen) Druck arbeiten, der gar nicht hätte sein müssen.

 

#5 Perfektion macht süchtig

Wer einmal in die „Perfektionismus-Falle“ getappt ist, hat oft Schwierigkeiten, ihr wieder zu entkommen. Denn: Hat man sich erst einmal an den Standard des Perfektionismus gewöhnt, fällt es den meisten Menschen schwer, sich mit weniger zufrieden zu geben.

Die Folge: Sie streben immer mehr nach Perfektionismus und strafen alles, was dem nicht gerecht wird, als Makel oder Schwäche ab. Es ist wirklich schwer, dem hieraus entstehenden Teufelskreis zu entkommen.

 

#6 Perfektionismus schadet der physischen und psychischen Gesundheit

Na, sind Sie ein waschechter workaholic und stolz darauf? Lieben Sie es, sich in einer Aufgabe zu verlieren und stets 102 % zu geben? Sind Sie früh der erste und abends der letzte, der das Büro betritt beziehungsweise verlässt?

Herzlichen Glückwunsch, dann sind Sie auf dem besten Wege, Ihre Gesundheit nachhaltig zu beeinträchtigen.

Auch wenn der durchschnittliche Perfektionismus wohl noch nie jemandem ernsthaft geschadet hat, soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass er in seiner gesteigerten Form durchaus problematisch zu betrachten ist – und zwar sowohl im Hinblick auf Ihre physische als auch auf Ihre psychische Gesundheit.

Anstatt Tag für Tag kein Ende zu finden, weil Ihr Perfektionismus Sie so fest im Griff hat, sollten Sie lieber darauf achten, sich regelmäßige Pausen zu gönnen und hin und wieder auch einfach einen Schritt zurück zu treten.

Lese-Tipp: Achtsamkeit: Der (neue) Schlüssel zum Erfolg?

 

#7 Perfektionismus behindert Kreativität

Wer immer nur perfekt abliefern will und dafür keinerlei Risiken eingehen möchte, der läuft über Kurz oder Lang Gefahr, jeglicher Kreativität den Garaus zu machen. Kein Wunder – schließlich sind viele Perfektionisten so verbissen und auf das optimale Endergebnis fixiert, dass sie auf dem Weg dort hin sprichwörtlich über Leichen gehen würden.

Dass Kreativität nicht nur in typischen Kreativ-Berufen von unschätzbarem Wert ist, wird Ihnen übrigens spätestens dann bewusst, wenn Sie sie vollständig unterdrückt haben.

 

Was tun gegen Perfektionismus?

Spätestens jetzt dürfte klar sein: Perfektionismus ist nicht das ideale Mindset für eine steile Karriere. Wenn auch Sie Ihrer perfektionistischen Ader nun den Kampf ansagen wollen, haben wir hier sechs ganz konkrete Praxis-Tipps für Sie, die Ihnen garantiert helfen werden.

 

#1 „Better done than perfect“

Die Macht der Visualisierung ist groß. Wenn Sie also hin und wieder eine kleine Gedankenstütze brauchen, die Sie davon abhält, in alte (perfektionistische) Muster zurück zu verfallen, dann hilft Ihnen vielleicht dieser einfache Trick:

Schreiben Sie auf einen Zettel die Worte „Better done than perfect“ beziehungsweise die deutsche Übersetzung „Lieber fertig als perfekt“ und bringen sie ihn gut sichtbar an Ihrem Arbeitsplatz an. Auf diese Weise haben Sie immer vor Augen, worauf es wirklich ankommt: Nämlich, dass Sie eine Aufgabe abschließen, um sich der nächsten widmen zu können.

 

#2 Die Lean-Startup-Methode

Die Lean-Startup-Methode ist ein Vorgehen, das vor allem bei der Existenzgründung und der Entwicklung neuer Produkte eine Rolle spielt. Sie kann jedoch auch (mit etwas Übung) auf nahezu jeden anderen Business-Bereich übertragen werden.

Der Kern der Methode: Verschwenden Sie nicht ewig viel Zeit für die Entwicklung einer Idee oder eines Produktes, sondern setzen Sie Ihr Projekt direkt in die Tat um. Mithilfe des Feedbacks, das Sie im Anschluss beispielsweise von Käufern und Geschäftspartnern erhalten werden, können Sie nachträglich immer weiter optimieren, bis Sie schließlich vollauf zufrieden sind.

Lese-Tipp: Noch mehr Infos zur Lean-Startup-Methode finden Sie in diesem Beitrag auf unserem Blog.

 

#3 Das Pareto-Prinzip

Die wohl bekannteste Vorgehensweise gegen Perfektionismus ist das sogenannte Pareto-Prinzip. Es besagt: Setzen Sie 20 % Ihrer Ressourcen ein, um 80 % des gewünschten Ergebnisses zu erreichen.

Dass 80 % in den meisten Fällen durchaus ausreichend sind, wird Ihnen spätestens dann bewusst, wenn Sie verinnerlichen, wie viel produktiver Sie durch das Pareto-Prinzip sind. Probieren Sie es also unbedingt einmal aus.

 

#4 Klare Zeitvorgaben und Zielsetzungen

Damit Sie sich nicht immer wieder in unwichtigen Details verlieren und somit den Abschluss eines Projekts stetig vor sich herschieben, kann es helfen, klare Rahmenbedingungen zu schaffen. Das bedeutet ganz konkret:

Diese Maßnahmen mögen auf den ersten Blick fast schon trivial daherkommen. Doch Sie können sich sicher sein: Sie wirken – vorausgesetzt, Sie sind realistisch und gnädig zu sich selbst.

 

#5 Fehlerkultur überdenken

Die meisten Perfektionisten haben regelrecht Angst davor, Fehler zu machen. Dass diese jedoch nicht automatisch schlecht oder gar schlimm sind, ist vielen nicht bewusst. Umso wichtiger ist es, dass Sie sich mit Ihrer eigenen Fehlerkultur auseinandersetzen und fragen, wovor genau Sie eigentlich so große Panik haben.

Lese-Tipp: „Positive Fehlerkultur in Unternehmen: Warum Fuckup Nights innovatives Denken fördern“

 

#6 Aktiv Feedback und Kritik einholen

Als Perfektionist sind Sie vermutlich ein typischer Einzelkämpfer, der sein Süppchen am liebsten allein kocht und (scheinbar) nicht auf die Rückmeldung anderer angewiesen ist. Hieran sollten Sie jedoch dringend etwas ändern – beispielsweise, indem Sie aktiv um Feedback und Kritik für Ihre Arbeit bitten.

Eine solche Maßnahme wird Ihnen nicht nur frischen Input und neue Ideen liefern, sondern auch ganz oft vor Augen führen: Ihre Arbeit ist gut, auch wenn sie nicht perfekt ist.

Obwohl Sie selbst vermutlich regelmäßig mit dem Schlimmsten rechnen, ist es viel wahrscheinlicher, dass Ihre Kollegen und Kunden von dem, was Sie ihnen präsentieren, bereits überzeugt sind.


Perfektionismus ist ein polarisierendes Thema, über das in diesem Beitrag längst nicht alles gesagt wurde. Wir hoffen trotzdem, dass Sie einen guten Einblick erhalten haben und etwas für Ihre persönliche Arbeitsweise mitnehmen können.

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